Uhrzeitzeichen
Eine private Leidenschaft
 
Geschichte derZeitmessung

Kleine Abhandlung über die
Geschichte der Zeitmessung

Die Zeit ist ein merkwürdiges Phänomen. Sie hat keine Gestalt, kein Gewicht, man kann sie nicht sehen, nicht anfassen, nicht anhalten, nicht speichern. Unsere Sinne können die Zeit nicht fassen, aber sie ist allgegenwärtig.

 In der Schöpfungsgeschichte findet sich: “Da ward aus Abend und Morgen der Erste Tag“. Das bedeutet, dass es die Zeit und ihre Einteilung in Abschnitte von Anfang an gegeben hat.

Augustinus, geb. 354, Begründer der philosophischen und theologischen Wissenschaften des Abendlandes sagt:

„Die Zeit kommt aus der Zukunft, die nicht existiert, in die Gegenwart, die keine Dauer hat, und geht in die Vergangenheit, die aufgehört hat zu bestehen.“

Seit sprichwörtlich „ewigen Zeiten“ ist es das Bestreben der bewusst lebenden Menschen, die Zeit zu erfassen, Zeitabläufe zu erkennen, zu nutzen und Vorhersagen von astronomischen Ereignissen (Sonnen- und Mondfinsternisse, Sonnenwenden usw.) machen zu können.

Die Megalithkulturen der Steinzeit haben entsprechende Zeugnisse davon hinterlassen. Wer wie die Priester der Steinzeit die Zeit „beherrschte“, konnte daraus leicht (geistige) Macht durch überlegenes Wissen ableiten.

Seit mehreren Tausend Jahren wird versucht, auch den Tag in kürzere Perioden aufzuteilen.

Aus den alten Reichen Sumer, Assyr und Babylon sind Sonnen- und Sanduhren bekannt, mit denen der Tag (Sonne) und die Nacht (Sand) in Teile geteilt werden konnten. So konnten z.B. Entfernungen zwischen zwei Städten und Zeiten der Nachtwachen bestimmt werden.

Aus dem alten Athen ist eine Wasseruhr bekannt, (Chlepshydra=Wasserdieb) die durch tropfenweisen Auslauf von Wasser aus einem großen in ein kleines, mit Einteilungen versehenes Gefäß Zeiträume erfassen könnte.

  
   Abb.: Griechische Wasseruhr (Chlepshydra)

Aus Rom sind Wasseruhren bekannt, bei denen Gefäße mit innen angebrachten Strichen durch ein kleines Loch im Boden Wasser verlieren konnten. Die Zeit zwischen den Strichen bestimmte z.B. die Redezeit der Senatoren. Daher kommt der Ausdruck: „Die Zeit ist abgelaufen.

Bis in die Neuzeit hinein wurden Sonnenuhren als Zeitnormal eingesetzt. Umfangreiche mathematische Erkenntnisse und ihre Umsetzung in die Konstruktion der Sonnenuhren erlauben es, präzise Zeiten für jeden Ort der Welt fast sekundengenau zu bestimmen. 

Datei:BadLiebenzellSonnenuhr P1120632.jpg  Datei:SunDialAiKhanoum.jpg

       Vertikale Sonnenuhr mit Polstab             Antike Sonnenuhr

Alle drei genannten Zeitmesser haben einen großen Nachteil. Sie können entweder nur am Tage benutzt werden - wie die Sonnenuhren, oder geben nur außerordentlich fehlerhafte Ergebnisse über längere Zeiträume.

Erst mit der Erfindung der Räderuhr wurde eine kontinuierliche Zeitmessung, weitgehend unabhängig von Tag oder Nacht, bzw. unterschiedlichen Materialien wie Sand oder Tongefäßen möglich.

Die Erfindung der Räderuhr liegt im Dunkel der Geschichte. Sicher ist, dass es etwa um das Jahr 1280 bereits Räderuhren gab, von denen Reste erhalten sind (z.B. in der Kathedrale von Exeter, England).

Diese ersten Räderwerke hatten weder Zifferblatt noch Zeiger. Sie ließen lediglich eine Glocke anschlagen und dienten so Mönchen in Klöstern dazu, sich im strengen Tagesablauf zu orientieren.

Die für Räderuhren notwendige Hemmung (Einrichtung, um den direkten Ablauf der durch Gewichte angetriebenen Räder zu verhindern und stattdessen den Ablauf in kleine Teile zu zerlegen, zu hemmen) war ungenau, anfällig gegen Witterung und Verschleiß. Sie mussten regelmäßig mit einer Sonnenuhr abgeglichen und oft repariert werden.

Trotzdem wurden früh, ab dem 14. Jahrhundert eine Reihe von bedeutenden Uhren, zum Teil mit riesigen Ausmaßen von 12 m Höhe und mehr, in Kirchen eingebaut. Sie verfügten z.T. immer noch nicht über Minutenzeiger, konnten aber mit einiger Genauigkeit die Stunden, den Gang des Mondes, den Kalender, den Stand der Sonne in den Tierkreiszeichen abbilden.

Bald gab es sog. astronomische Uhren mit ewigem Kalender, Schaltjahrberechnungen und weiteren „Komplikationen“ (Bezeichnung für Besonderheiten).

Beispiele dafür sind die Uhren im z.B. Straßburger Münster, Dom zu Münster, Dom in Lund (Schweden), Marienkirche in Lübeck u.a., die allesamt in den Innenräumen stehen und keine Zifferblätter am Turm aufweisen.

Als neue, bessere Hemmungen erfunden wurden, wurden die Uhren zum Teil entsprechend umgebaut, um höhere Ganggenauigkeiten zu erzielen.

Dass sich etwa zeitgleich im 15./16. Jahrhundert auch der Bau von kleineren Uhren (Tisch-, Sack-, Wanduhren) ergab, sei nur am Rande erwähnt. Allerdings war dazu eine bahnbrechende Erfindung nötig, nämlich die der Zugfeder um die Energie der Gewichte zu ersetzen und damit transportabel zu machen.

Wann das erste Zifferblatt an einem Kirchturm angebracht wurde, ist unbekannt, doch es löste geradezu einen Boom aus. Die Uhrzeit in den Kirchtürmen war nun für jedermann sichtbar und jeder konnte wissen, „was die Uhr geschlagen“ hatte. Es gab dadurch aber auch keine Ausrede für Verspätungen mehr.

Das Zifferblatt der Uhr im Kirchturm in Verbindung mit dem Glockenschlag rief zum Gottesdienst und zur Pünktlichkeit. Es wurde so zum Bestandteil des täglichen Lebens.

Im 17. Jahrhundert konnte man Uhren nicht einfach aussuchen und kaufen. Sie wurden auf Bestellung gefertigt, waren Einzelstücke, außerordentlich teuer und damit wertvoll.

In den 1680er Jahren ließen sich die bei Budapest lagernder Türken von den westlichen Fürsten und Königen dafür bezahlen, dass sie nicht in ihre Gebiete einfallen. Mehr als die Hälfte dieser Beträge wurde in Form von kostbaren, türmchenförmigen Tischuhren aus Augsburg bezahlt.

Mit der Entwicklung der Städte ergab sich mancherorts auch ein reiches Bürgertum. Das sorgte dafür, dass auch in Profanbauten wie Rathäusern Uhren als Statussymbole eingebaut wurden.

Dies führte bei einigen Städten dazu, dass sie sich – um eine besondere Uhr zu besitzen – finanziell so übernahmen, dass sie sich ruinös verschuldeten. Beispiel dafür ist die französische Stadt Amiens, dessen Magistrat im Jahr 1560 wegen der Schulden für den Bau einer Uhr abgesetzt, vor Gericht gestellt und verurteilt wurde.

Fortschreitende technische Entwicklung und damit auch serienmäßige Produktion haben im späten 18. Jahrhundert dazu geführt, dass praktisch überall der Zugang zur aktuellen Zeit durch Blick auf Turmuhren möglich wurde.

Allerdings gingen die Uhren immer noch –verglichen mit heutiger Zeit- relativ ungenau, sodass die jeweilige Uhr nur die gültige „Zeit am Ort“ anzeigte. Das war solange unwichtig, als die Entfernungen von einem Ort zum anderen keinen direkten Vergleich zuließen.

Erst die Verbreitung der Eisenbahn brachte im 19. Jahrhundert die Notwendigkeit, die Uhren flächendeckend aufeinander abzustimmen.

Von besonders großer Bedeutung war die Schwierigkeit, die „normalen“ Bürger und  meist bäuerlichen Bewohner des Landes mit der Einführung der Uhr als Zeitmesser und Einteiler des Tages daran zu gewöhnen, dass der neue Tag um Mitternacht beginnen und auch enden sollte.
Bis dahin waren die Menschen daran gewöhnt, dass es einen hellen und einen dunklen Teil des Tages gab, auch wenn deren Länge im Sommer und Winter unterschiedlich lang waren. Sie beendeten den Tag mit Beendigung des „Tagewerks“ bei einsetzender Dämmerung – und gingen in die Messe. Das Ende dieser Messe war der Beginn des neuen Tages.

So kam „Heiligabend“ zustande, obwohl der 24.12. nicht zu Weihnachten gehört. Er war jedoch in damaliger Zeit bereits Teil des 25. 12., also des ersten  Weihnachtstages.

In den vergangenen Jahrhunderten repräsentierten Uhren die Kunst und die Wissenschaften. Große Erfindungen und Forschungen waren nötig, um die Präzision zu erhöhen und sorgten dafür, dass die Technik insgesamt entwickelt werden konnte.

George Graham erfand 1715 die nach ihm benannte Ankerhemmung, die den Grad der Ganggenauigkeit revolutionierte, der Nürnberger Henlein gilt als einer der ersten Taschenuhrmacher, was die Erfindung der Energie speichernden Spiralfeder und eine Alternative zum Pendel (heute: Unruh) erforderte, John Harrison baute im 18. Jahrhundert als erster Uhren, die die Seefahrer in die Lage versetzten, den Längengrad zu bestimmen.


  

Harrisons Chronometer H 1, 1736.          Harrisons H 4, 1770

Mit Aufkommen der Elektronik war es nur folgerichtig, dass diese auch in die Zeitmessung Eingang fand. Wir sind es gewöhnt, beim Blickauf die quarzgesteuerte Armbanduhr die Zeit zu kennen. Werbegeschenke in Form von elektronischen, funkgesteuerten Uhren sind nicht ungewöhnlich. Will man heute „alte Technik“ in Form von tickenden mechanischen Uhren besitzen, wird es – wie früher –teuer.                                                              

Auch in die Kirchtürme ist die neue Technik eingezogen. Mit gutem Recht. Elektrisch betriebene, funkgesteuerte Uhrwerke müssen nicht mehr gestellt, die nötigen Gewichte nicht mehr hochgezogen werden. Sie gehen ständig richtig. Aber man sieht den Zeigern am Turm nicht an, ob eine „alte mechanische“ oder eine „moderne elektrische“ Uhr sie antreibt.

Wer auf das Zifferblatt schaut, will die genaue Zeit haben.

Zwar kann man sagen, es kommt nicht so genau darauf an, weil es eine alte mechanische Uhr ist, aber nur wenn man es weiß. Weiß es der Hinschauende? Wenn er – oder sie – auf Grund einer falsch gehenden Turmuhr zu spät kommt, wird Säuerniss und Ärger eintreten. Die Bahn, der Bus ist weg!

Wir sind auf „genaue Zeit“ getrimmt, Hektik, Pünktlichkeit und Termine bestimmen das Leben wie in keiner Zeit zuvor.

Der Genforscher Erwin Chargaff sagt zurecht: “Gott hat die Zeit gemacht, der Teufel den Kalender.

Die heutige Zeitmessung, abgeleitet von Milliarden Schwingungen von Atomen pro Sekunde hat kein „Werk“ und damit auch kein Leben im Sinne der Mechanik mehr. Albert Einstein hat mit seiner Relativitätstheorie der Zeit als physikalische Größe eine neue Erklärung gegeben.

Das wird man akzeptieren müssen.

Nehmen wir uns deshalb „die Zeit“, die in der Ausstelling in Haus Kemnade (siehe nächste Seite) vorgestellten Uhren zu betrachten, ihren bescheidenen historischen aber hohen kulturellen Wert zu erkennen und ihre langjährige Arbeit zu würdigen.

Sie sollen als Ausstellungsstücke dazu beitragen, innezuhalten, die Werke und Gehäuse zu bestaunen, womöglich die Eleganz der Technik zu verstehen und sich auf die Zeit zu besinnen, die wir haben.

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Abbildungen: Wikipedia

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